By Expedia Team, on June 1, 2017

Reisen ist bunt: LGBT-Reiseexperte Adam Groffman im Interview

Hallo Adam! Wir möchten in den nächsten Monaten LGBT-Reisen stärker in den Fokus rücken und du wirst dafür so manche LGBT-Reisetipps für einige der spannendsten Städte in Europa, Nordamerika und auch in anderen Teilen der Welt bereitstellen.

Könntest du dich den Lesern vielleicht kurz in ein paar Sätzen vorstellen?

Hallo! Ich bin ursprünglich aus den USA und habe dort sowohl in Texas als auch in Boston gelebt. Seit 2010 bin ich jedoch auf Reisen in der ganzen Welt unterwegs und dokumentiere meine Abenteuer in meinem LGBT-Reiseblog Travels of Adam. Mittlerweile lebe ich seit einigen Jahren, genau genommen seit 2012, in Berlin – eine meiner liebsten Städte und ein unglaublich vielseitiger Ort.

Adam Groffman

Wie bist du dazu gekommen, als Reiseblogger und Journalist zu arbeiten?

So lange ich denken kann, ist das Reisen ein wichtiges Element in meinem Leben. Während meiner College-Zeit habe ich zwei Auslandsaufenthalte absolviert – in London und in Sydney. Damals habe ich zunächst Journalismus studiert, aber ziemlich schnell festgestellt, dass mein Herz eigentlich für Kunst und Design schlägt. Doch anstatt meinen Studiengang zu wechseln und damit eventuell meine Chance auf ein Auslandssemester zu gefährden, entschied ich mich dafür, im Bereich Kommunikation zu bleiben. Ich habe meinen Abschluss in Marketing gemacht und während meiner restlichen Studienzeit den Fokus auf Kunst/Design gelegt. Nach meinem Abschluss wurde ich praktisch sofort von einem großen Verlag als Grafikdesigner angestellt – mein Traumjob! (Zumindest damals …) Nachdem ich drei Jahre lang Buchcover designt hatte, fiel mir irgendwann auf, dass ich das Land seit der Zeit am College nicht mehr verlassen hatte. Was ich dann getan habe, war ein wenig verrückt: Ich habe spontan einen Flug für ein Wochenendabenteuer in Reykjavík gebucht. Island ist nicht gerade das typische Wochenendziel von Boston aus, aber ich hatte nur wenige Urlaubstage. Und ab da war ich wieder angefixt … Also habe ich die nächsten neun Monate lang Geld gespart, meinen Job gekündigt und bin ein Jahr lang durch die Weltgeschichte gereist. Und habe tatsächlich nie wieder mit dem Reisen aufgehört 😉 Nachdem mein Reiseblog immer erfolgreicher wurde, entdeckte ich auch mehr und mehr Möglichkeiten, mit Tourismus mein Geld zu verdienen.

Derzeit wohnst du in Berlin. Was hat dich denn dorthin verschlagen?

Für meine große Weltreise, für die ich mir mindestens ein Jahr Zeit nehmen wollte, hatte ich rund 20.000 $ gespart – eine Menge Kohle! Nach 15 Monaten auf Reisen war mein finanzielles Polster allerdings fast verschwunden … Glücklicherweise bekam ich noch eine kleine, aber wesentliche Steuerrückzahlung für das letzte Jahr meines Angestelltendaseins. Ich war damals gerade in Vietnam und hatte monatelang Geschichten darüber gehört, wie cool und hip Berlin ist (das war 2011). Also riskierte ich es und buchte einfach ein Flugticket nach Berlin, genau richtig zum CSD (dem Christopher Street Day, Berlins größtem Gay Pride Event). Die nächsten drei Wochen verbrachte ich mit Backpacken quer durch Europa, mit der Idee im Hinterkopf, dass ich mir wohl letztendlich einen günstigen Flug nach Hause in die USA nehmen und dort nach einem Job suchen müsste. Doch ich habe dann schnell erkannt, dass Berlin der einzig richtige Ort für mich ist. Also habe ich das Reisen – vorübergehend – an den Nagel gehängt und mir in Berlin ein Apartment für den Rest des Sommers gemietet. Und dort bin ich dann einfach hängengeblieben 😉

Was gefällt dir so an Berlin?

Berlin hat diese verrückte, ziemlich einzigartige Energie. Die Stadt war ja lange Zeit geteilt und ist erst in den letzten paar Dekaden wieder zusammengewachsen. Irgendwie fühlt es sich so an, als würde Berlin seine Identität immer noch formen. Und mit ihrer Geschichte als LGBT-Hotspot (die bis in die 1920er-Jahre zurückreicht – Berlin kann sich als die Heimat eines der ersten Gay-Viertels rühmen) und der florierenden Kunstszene fühlt sich die Stadt einfach so dynamisch an. Egal, was man daraus machen möchte – diese pulsierende Energie und Kreativität machen Berlin zu einem unglaublich herzlichen, freundlichen Ort zum Wohnen.

Und wenn du dann auf Reisen gehst, wie bereitest du dich auf einen Trip vor? Hast du irgendwelche standardmäßigen Routinen?

Vor jeder Reise – ganz egal, ob ein Wochenende London oder zwei Monate Thailand – bekomme ich normalerweise erst mal Panik. Ich bin ein notorisch schlechter Planer, daher verbringe ich die letzten Stunden vor der Abreise meist damit, meine Tickets auszudrucken, nach meinen Reisekosmetika zu suchen und darüber nachzudenken, wo zur Hölle ich meine Sonnenbrille hingetan habe (das vergesse ich jedes Mal – in Berlin komme ich so selten dazu, sie zu tragen).

Wonach wählst du die Orte aus, die du näher erkundest?

Ich nutze Social Media – Twitter hat mir unzählige Weise weitergeholfen, denn dort habe ich schon so manche hilfreiche Empfehlung von Freunden und auch Fremden bekommen. Außerdem verwende ich auch Foursquare/Swarm ziemlich häufig, um LGBT-freundliche Orte zu finden. Oft gibt es in den einzelnen Städten auch LGBT-Magazine oder -Stadtpläne (die findet man in der Regel in der Flyer-Sammlung einer Gay-Bar oder eines LGBT-Cafés). Durch das Reisen bin ich zu einem sehr viel offeneren, extrovertierteren Menschen geworden als mein früheres introvertiertes Ich. Wenn ich allein unterwegs bin, macht es mir mittlerweile nichts mehr aus, Fremde nach Tipps und Ratschlägen zu fragen – egal, ob persönlich oder über eine App. Und wenn ich unterwegs bin, bemühe ich mich immer, möglichst viele Orte zu besuchen, um die besten davon in meiner Reihe Hipster City Guides zu präsentieren.

Adam Groffman auf der Schaukel

Was sind deine drei Lieblingsorte?

Ich sage jetzt nicht Berlin – das wäre zu offensichtlich. Meine drei liebsten Städte sind Tel Aviv, London und Barcelona. Jede davon ist ein bisschen anders; aber alle sind sie LGBT-affin, feierfreudig und verfügen über tolle Kunstsammlungen, Museen und Galerien. Und das Essen ist in diesen Städten auch nicht schlecht! Wobei ich zugeben muss, dass ich einen ziemlich teuren Geschmack habe … Und alle drei Städte sind nicht gerade günstig, sodass ich mir nie so viel Zeit dort leisten kann, wie ich gern würde …

Welches Erlebnis war auf all deinen Reisen das herausragendste?

Ich habe ein Faible für Wüsten – irgendwie mag ich diese seltsame Stille und Ruhe dort. Ganz zu schweigen von den verrückten Pflanzen und Tieren, die an diesen kargen Orten überleben können. Ich habe in vielen Wüsten dieser Welt gezeltet und war dort wandern -Wadi Rum in Jordanien, der Wüste Negev in Israel, Jujuy in Argentinien, White Sands in New Mexico – doch die wohl grandioseste und surrealste Erfahrung war die Besteigung des Berg Sinai in Ägypten. Ich erinnere mich genau daran, wie ich auf dem Gipfel des Berges auf den Sonnenaufgang gewartet habe, und an diesen unglaublichen Blick auf die Welt zu meinen Füßen. Obwohl ziemlich viele andere Touristen dort waren, habe ich mich irgendwie tief mit der Wüste und dem Universum verbunden gefühlt.

Gibt es irgendeine Grundausstattung, ohne die du nie auf Reisen gehen würdest?

Ich bin völlig abhängig von meinem Handy – schließlich ist das meine Kamera, meine Verbindung zur Welt (über Twitter und Instagram) und insofern auch mein Instrument, um meine Reisen zu dokumentieren. Außerdem habe ich aber auch immer einen Stift in meiner Tasche, denn man weiß ja nie, wann einen die Muse so küsst, und meine persönlichen Gedanken schreibe ich immer noch in einem kleinen Moleskine-Tagebuch auf. Ich versuche auch, immer eine Uhr dabei zu haben, denn damit gewöhnt man sich schneller an andere Zeitzonen.

Wie viele Sprachen sprichst du?

Meine Muttersprache ist Englisch und seitdem ich in Berlin wohne, habe ich auch etwas Deutsch gelernt – auch wenn ich mich noch nicht ganz als flüssigen Sprecher bezeichnen würde. In den letzten zwei Jahren habe ich auch angefangen, wieder Spanisch zu lernen und auch einige Spanischkurse in Spanien belegt (der letzte war erst vorigen Monat in einer kleinen Sprachschule in Andalusien). Sprachenlernen beim Reisen ist eine tolle Art, meine Liebe zum Globetrotten und mein Interesse daran, mehr Leute kennenzulernen, zu kombinieren.

Und als letzte Frage: Was machst du eigentlich, wenn du nicht gerade durch die Weltgeschichte reist oder darüber schreibst?

Ich koche! Ich liebe kochen (und essen)! Und auf Reisen esse ich meistens in Restaurants oder hole mir Streetfood, deshalb koche ich so unglaublich gerne, wenn ich zu Hause in Berlin bin. Oft versuche ich mich dann an Rezepten von meinen letzten Reisen. Als ich zum Beispiel letzten Monat an einem Spanischkurs in Andalusien teilgenommen habe, konnte ich es nicht lassen und habe auch gleich bei einem Kochkurs mitgemacht (nämlich diesem hier) und habe jede Menge neue Rezepte mit nach Hause genommen. Gerade nach all meinen Abenteuern im Ausland freue ich mich, Freunde zu mir einladen zu können, um einen Abend lang mit gutem Essen und lustigen Unterhaltungen zu verbringen.